Da gab es bis anhin den „Günter“. Dieser Günter war/ist der „Held“ in drei Ratgeberbüchern, er steht für den „inneren Schweinehund“, der immer wieder überwunden werden muss. Günter wohnt in jedem von uns und begleitet uns täglich wohin immer wir gehen. Neu haben wir jetzt auch den „Geri“. Geri steht für die „dunkle Seite“ in uns. Günter und Geri sind Gegenstücke zu einer effizienten, leistungsorientierten Hochglanzgesellschaft, die sich scheinbar völlig frei geben kann, hinter welcher jedoch Ideale stehen, die einfach nicht sehen wollen, was nicht sein darf.

Ist es nicht seltsam, wie in einer hoch sexualisierten Gesellschaft ein paar Nackfötelis immer noch Empörung hervorrufen können? Füdliblutt ist ja an und für sich kaum mehr ein Thema, doch wenn es sich mit gesellschaftlichen Rollen und Weltanschauung verknüpft, dann liegen da immer noch bewegende Geschichten drin. Günter und Geryi wohnen in jedem von uns. Der „innere Schweinehund“, den wir immer wieder überwinden müssen, um weniger zu rauchen, weniger zu essen, uns mehr zu bewegen, aufmerksamer, liebevoller, positiver zu sein etc. Da haben wir alle unser „Kampfzonen“. Das Mittel heisst „Selbstdisziplin“ und verlangt einiges. Wenn wir Glück haben, begegnen wir Menschen, von denen wir uns etwas abgucken können. Die uns beeindrucken mit ihrer Lebensgestaltung.

Es kann sein, dass Günter tatsächlich kein Problem mehr ist, dafür findet Geri umso mehr Nahrung. Die Missbrauchsgeschichten in den Bereichen Schule und Kirche in den letzten Jahren haben deutliche gemacht, dass es da, wo viel von Licht die Rede ist, sehr schattige Bereiche haben kann. So dunkel, dass Gewalt als Missbrauch in Form von Unterdrückung, Ausnützung und direkter physischer Gewalteinwirkung zu einer Art rotem Faden wird, der sich so lange hinzieht, bis Licht darauf fällt. Wir sogenannt moderne Menschen haben uns angewöhnt, das Leben zu fragmentieren. So wie wir es mit Festplatten in Computern tun. Praktisch. Da laufen ganz verschiedene Programme ab ohne einander zu belasten. So leben wir in Parallelwelten,  und vergessen schnell, dass wir keine Computer sind, dass sich Dinge, die wir tun und erfahren vielfältig in uns vernetzen und seltsame Blüten treiben.

Das Dunkle wohnt in jedem von uns. Es lohnt sich, immer mal wieder hinzuschauen, was es da für eine Rolle spielt. Was gibt es in meinem Leben, das ich nie jemanden sagen werde? Das ich lieber für mich behalte? Ganz zuhinterst in diesem Dunkel sitzt das Wissen, dass wir sehr gefährdet sind. Verletzlich, abhängig, angewiesen. Niemand von uns mag das. Wir werden erwachsen, wir werden unabhängig. Selbständig. Vielleicht nicht in allen Bereichen, aber doch dort, wo es in unserer Kultur etwas zählt. Pünktlich, zuverlässig, fleissig, leistungsbereit, umgänglich.

Um uns selber zu schützen, sind wir schnell bereit, auf andere zu zeigen und vergessen dabei immer wieder, dass an dieser Hand, mit welcher wir den Finger auf den Anderen, Bösen, Unmoralischen richten, drei Finger auf uns zurück zeigen. Lebens-Führung hat etwas damit zu tun, am eigenen Dunkel zu arbeiten. Günter ist schon ein ziemlich nerviger Geselle, der immer dann kommt, wenn es gar nicht passt. Geri nervt nicht, Geri ist viel unheimlicher, beängstigender. Es gilt zu lernen, dazu zu stehen. Hinter den eigenen Fähigkeiten auch Grenzen zu erkennen und bei eigenen Erfolgen nicht gleich auf „unbesiegbar“ zu machen. Wer diese Bescheidenheit einübt, verliert vielleicht etwas von seinem möglichen Hochglanz. Er/Sie gewinnt jedoch etwas von dem, was wir als „menschlich“ und „sympathisch“ wahrnehmen.

In einem Erfolgsbuch zum Thema Management aus den Achtzigerjahren bin ich auf den Satz gestossen, dass Erfolg dann erreicht worden ist, wenn es jemandem leichter ums Herz geworden ist, weil er Zeit mir mir verbracht hat. Leichter wird es einem nur, wenn das Gegenüber seine eigenen Schwächen kennt und anerkennt und trotzdem sich selber treu bleibt. marktwärts leben heisst, die dunklen Seiten anerkennen und sich darin zu üben, mit ihnen so umzugehen, dass man selber und die Mitwelt nicht schädigt. Positives Denken beginnt dort, wo die eigene Schwäche und Irrationalität ihren Platz findet, wo der eigene Günter „Schweinehund“ auf ein Gegenüber trifft, das es immer wieder mit ihm aufnimmt und wo „Geri“ oder die „Dunkle Seite“ erfährt, dass er/sie trotz seiner/ihrer Bedrohlichkeit ein Teil des je eigenen Lebens bleibt. Machen wir uns nichts vor! …das fängt einmal mehr bei jedem von uns selber an.