Der Grossteil der Manager (78 Prozent) denkt, dass sich die eigenen Mitarbeiter bei der Arbeit langweilen. Zu diesem Schluss kommt der auf Fach- und Führungskräfte spezialisierte Personalvermittler Robert Half in seiner aktuellen Arbeitsmarktstudie. Demnach glauben nur 22 Prozent der Vorgesetzten, dass sich ihre Mitarbeiter nie langweilen. (Quelle: werbewoche online 5. 10. 2017)

Der Eindruck der Manager dürfte nicht trügen, Langeweile ist tatsächlich etwas, das sich grundsätzlich mehr und mehr ausbreitet. In einer Multioptionsgesellschaft, wo von Kindheit an viel Energie investiert wird, dass keine Langeweile aufkommt, wird diese Langeweile mehr und mehr zum Problem.

Langeweile – heute doch nicht mehr

Unser heutiger Lebensstil ist durchsetzt mit kleinen Aktivitäten der Ablenkung via Smartphones, dabei durchdringen sich die Privat- und Arbeitssphäre mehr und mehr. WhatsApp-Nachrichten kommen auf der Baustelle und im Labor rein, Mails mit Anfragen am Sonntagnachmittag am See. Diese Veränderung der Kommunikation geschieht mit einer grossen Selbstverständlichkeit und führt zu einer Vermischung der Lebensbereiche, die in dem Moment, wo etwas nicht mehr gut läuft, fatale Auswirkungen haben kann.

Die Trennung von Privatleben und Arbeitsleben war jahrzehntelang das gängige Bild des arbeitenden Menschen. Diese Vorstellung ist grundsätzlich kaum 100 Jahre alt. Im vorletzten Jahrhundert bestimmte die Industrialisierung das Leben tausender von Menschen. Arbeit war das Zentrum 16 bis 18 Stunden. Privatleben war eine absolut rare Angelegenheit. Mit den Arbeitnehmerbewegungen kam dann nach und nach eine Verringerung der Arbeitszeit und da die Arbeit meistens nichts Erfreuliches war, musste das Privatleben das kompensieren. Im letzten Jahrhundert setzte sich dieser Prozess stetig fort und es wurde der private Teil selber zu einem wachsenden Wirtschaftszweig. „Saturday Night“ war das richtige Leben.

Arbeit war keine positiv besetzter Begriff und wurde es auch nicht, als sich die Bedingungen änderten. Die Arbeit ist notwendiges Übel zur Gestaltung der Freizeit. Diese Aufteilung hat sich in den letzten Jahren fundamental verändert. Die Digitalisierung brachte eine unglaubliche Flexibilisierung der Arbeit. Die Entwicklung von der Industrie- in die Dienstleistungsgesellschaft förderte den Trend. Arbeit ist jedoch nach wie vor eher negativ besetzt.

Langeweile ist gesund und macht krank

Selbständigerwerbende kennen die Durchdringung von Arbeit und Privat schon immer. Bauern müssen damit genauso klarkommen, wie kleine Gewerbebetriebe, wo Offerten und Rechnungen oft übers Wochenende geschrieben werden. Die Trennung von Arbeit (negativ) und Freizeit (positiv) ist ein Angestelltenproblem und damit ein Problem von Organisationen, die mit den technologischen Veränderungen nicht Schritt halten.

In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderst erhielt die Vorstellung vom „Selbständigen Mitarbeiter“, von der „Unternehmerischen Mitarbeiterin“ Auftrieb. Diese Vorstellung von Mitarbeitenden beeinflusst jedoch die Ausgestaltung der Organisation. Vorbei ist die Zeit der BefehlsempfängerInnen. Es geht um Einbindung in Projekte, um eigenständige Vorgehensweisen und um selbständige Organisation von Aufträgen in Teams. Geblieben sind Kunden und Aufträge als unerlässliche Basis unternehmerischer Tätigkeit. Die Art und Weise der Auftragserfüllung ist jedoch vielfältiger geworden.

Langeweile macht dann krank, wenn sich Mitarbeitende nicht als wirkungsvoll erfahren und einfach als Ausführende ihre Arbeitszeit absitzen. Langeweile ist gesund, wenn Mitarbeitende sich als einflussreich, als mitprägend wahrnehmen und dann lernen müssen, dass etwas unter Umständen nicht ganz so schnell läuft, wie gedacht. Diese Empfindung von Langeweile kann Anstoss für weitere Ideen sein, oder zur Kontaktaufnahme und Anfrage, ob Unterstützung benötigt wird etc. Es kann auch der gottseidank günstige Zeitpunkt sein, sich mit etwas Liegengebliebenem zu beschäftigen, weil man warten muss.

Selbstbestimmter, wirkungsvoller arbeiten

Anfangen sich grundsätzlich zum Thema Organisation Gedanken zu machen!

In der Langeweile die Chancen erkennen

Wer in seiner Unternehmung Langeweile feststellt, MUSS sich unbedingt Gedanken über die Art und Weise der Arbeitsorganisation machen. Es lohnt sich hier, der grundsätzliche Einstieg in Überlegungen zur Organisationsgestaltung. Das muss nicht gleich ein umfangreicher Change-Prozess sein. Es kann mit Gesprächen mit den Mitarbeitenden beginnen. Darüber, was für Veränderungen sinnvoll sein könnten, wie sie das sehen würden, wo sie Bedarf erkennen. Da sprudeln die Lösungen nicht einfach hervor, viele Mitarbeitende sind, wie ihre Chefs, „Kinder“ der bestehenden Organisation und bevor da etwas geändert wird, wird lieber nichts geändert. Besser unbefriedigend und berechenbar als aufregend und unbestimmt. Da jedoch in den meisten Unternehmen verschiedene Altersgruppen arbeiten, gibt es auch Mitarbeitende, die verschiedene Organisationsformen kennen und mit jüngeren Vorstellungen vertraut sind. Hier kann die Diskussion unter den Mitarbeitenden gefördert werden. Sie muss nicht einfach „von oben“ her geführt, kann jedoch von oben her initiiert werden.

Langeweile ist ein guter Indikator für mögliche Veränderungen in der Organisation. Darin liegt die Möglichkeit, das Unternehmen „neu zu erfinden“ und sein Angebot fit für zukünftige Herausforderungen zu machen. Das heisst, sich marktwärts mit Blick auf die Organisation und mit Blick auf das Angebot entwickeln. Langeweile gehört dazu – langweilig wird es einem dabei kaum einmal.