Seit Jahren ist die Mitarbeitermotivation eine immer wiederkehrendes Thema, das mit ausgeklügelten Seminaren und Coachings bearbeitet wird. Neben dieser reflektiven Lernebene hat sich in der Wirtschaft ganz pragmatisch ein Anreiz und Bonussystem etabliert, wo mit individualisierten Programmen der Belohnung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „bei der Stange“ gehalten werden. Einer, der sich schon seit Jahren gegen diese Entwicklung wehrt und gleichzeitig als Unternehmensberater von der Mitgestaltung unternehmerischer Kulturen lebt, ist Reinhard K. Sprenger, gesuchter und beliebter Referent an KMU-Tagen und anderen Unternehmertreffen.

Aus der Sicht von marktwärts trifft Sprenger ins Schwarze. Bonifikations- und Anreizsysteme kaschieren Führungsschwäche und führen zu einer aufgesetzten Verwöhnkultur, die grundsätzlich von allen (auch von den Geführten) durchschaut wird. Man nimmt die „Geschenke“, der Effekt der ersten Anerkennung ist längst verpufft und mit der Zeit macht sich sogar das Gefühl breit, man hätte Anrecht auf diese zusätzlichen Gratifikationen. Was heisst denn Führungsschwäche überhaupt? Führungsliteratur gibt es mittlerweile Stapelweise, Führungsausbildungen ebenso – und Führungsmythen und Begriffe wie „Leadership“ und „Governance“ werden variantenreich an Events dargeboten. Wirtschaft ist zum einen ein Treiber von gesellschaftlicher Veränderung zum anderen jedoch auch „ein Kind seiner Zeit“. Zur Zeit der Industrialisierung waren die Führungsbilder noch stark von autoritären Persönlichkeiten (Patrons) geprägt, die praktisch uneingeschränkt ihre Philosophie dem Unternehmen aufsetzten. Im Verlaufe des zwanzigsten Jahrhunderts wurde, verstärkt durch zwei Weltkriege, der Mythos der  Führerfiguren brüchig. Neben dem bürgerlichem Liberalismus gewannen sozialistische Ideen an Gewicht und veränderten die gesellschaftlichen „Realitäten“ von der Vertikalen mehr in die Horizontale und damit in Richtung Partizipation, sprich Mitbestimmung, Mitbeteiligung.

Die Zeiten der Patrons sind vorbei. Nicht vorbei sind die Zeiten der Menschen, die Gelegenheiten erkennen und wahrnehmen. Menschen, die aufgehen in ihrer Idee und überdurchschnittlich viel Zeit in deren Verwirklichung investieren. Diese Menschen sind angewiesen auf weniger „visionäre“ Persönlichkeiten, die jedoch in Zusammenhängen denken und aktuelle Bedingungen miteinander verbinden können. Und diese Menschen (ManagerInnen) sind wiederum darauf angewiesen, dass es Leute gibt, welche die kleinen Schritte tun, damit Zahlen und Zeitpläne auf dem Boden bleiben, Prototypen und Produkte/Angebote angeschaut und ausprobiert/getestet werden können, Protokolle und Berichte Entscheidungen festhalten, Märkte und Kontakte gesucht, gefunden und Rechnungen Dritter bezahlt werden. So wird ein Unternehmen. Der Geist der Start ups, wo überschaubare Teams sich auf eine Idee einlassen, ist schwer über Jahrzehnte zu halten. Was jedoch über Jahrzehnte zu halten ist, ist ein offener und respektvoller Umgang von ganz oben bis ganz unten im Unternehmen. Es ist die zentrale Sicht, dass jede und jeder in der Organisation, die den Namen des Unternehmens trägt, sinnvoll und wichtig ist. Und es ist unabdingbar, dass die Offenheit den frühen Einbezug in Veränderungen als ganz natürlich erscheinen lässt.

Animositäten, wo Leute sich bei der geringsten Kritik persönlich angegriffen fühlen, wo Leute permanent „den Chef“ heraushängen müssen, wo Gespräche verstummen, wenn ein Mitarbeiter den Raum betritt oder sich dem Kaffeeautomaten nähert, sind absolute Killer. Wenn es soweit ist, dann ist das Unternehmen daran, zur Institution zu werden, wo jede/r um seine Pfründe kämpft. Und dann braucht es plötzlich Anreize, die es dann aber für möglichst alle irgendwie braucht, was zu einem typisch institutionellen-komplexen Anreizsystem mit Freizeit, Boni und Geschenken führt, wo ein Überraschungsgipfeli mit Tee oder Wasauchimmer und ein herzliches Händeschütteln eigentlich genügen würde. Das ist naiv. Natürlich. Der andere Weg ist professionell und braucht HR-Kompetenz und Leadership und was sonst noch. HR-Kompetenz braucht es auch dort, wo man den Geburtstag der Kinder der Mitarbeiter nicht vergisst, wo Schulabschlüsse und besondere Erlebnisse im Leben der Familie der Mitarbeiter, bspw.Geburt, Todesfall, erfolgreiche Lehrabschlussprüfung der Tochter, bestandener Sprachkurs in der Migrosclubschule einer Mitarbeiterin (einfach so, privat besucht) bemerkt und „honoriert“ werden.

Was für eine Kultur braucht ein Unternehmen, damit man das alles weiss? Welchen Umgang pflegt man da miteinander, dass Menschen auf eine Kleinigkeit im Umfeld von Mitarbeitenden reagieren können? Und wie muss man sich verhalten, damit das nicht zur Masche wird, die nach dem dritten Mal als solche durchschaut und mit einem netten Lächeln zur Kenntnis genommen wird? Mitarbeiter sind Märkte. Nur wer seine Märkte liebt und deshalb wissen will, wie es ihnen geht, kann Angebote machen, die sinnvoll sind. Das sind nicht nur Waren. Das sind auch Worte, Gesten, Verhaltensweisen. Und dann entsteht Wertschätzung. Dann sind Menschen bereit, die Meile mehr zu gehen, ein Auge zuzudrücken, 5 gerade sein zu lassen. Sie müssen nichts beweisen, sie wollen zeigen, dass man sich auf sie verlassen kann. Sie werden selber unternehmerisch in ihrem Bereich.

Lebensqualität ist Umgangsqualität. Umgang mit Respekt und grundsätzlichem Vertrauen, das dem Gegenüber dieselben Rechte zuspricht, sich in die Beziehung aktiv einzubringen, schafft Lebensqualität. Geschenke, Bonifikationen, Gratifikationen kann es dann immer noch geben. Sie sind jedoch eine Folge des guten Verhältnisses untereinander im Unternehmen und nicht Voraussetzung zum Erhalt der Motivation der Menschen im Unternehmen. Leadership heisst, es beginnt bei mir und ich benötige andere, damit es gelingt. Ich kann über mich selber fluchen und lachen, ich kann danke sagen für alles, was gelingt und ich kann die Ehre des Gelingens der-dem- denjenigen zugestehen, die das ermöglich haben. Kurz: Ich habe keine Krone, die Zacken verliert, sondern eine, wo Zacken wachsen dürfen, weil andere dafür sorgen. marktwärts leben kann wehtun – der Schmerz ist der Anfang der Heilung.