Überlegungen zu einem gesellschaftlichen Modell mit diskussionswürdigen Perspektiven oder

Die Schweiz als Vorreiter gesellschaftlicher Entwicklung

Das Buch „Befreiung der Schweiz – über das bedingungslose Grundeinkommen“ ist ein Element im Prozess, die Schweizer Bevölkerung an ein anderes Modell des Ein- und Auskommens für die Lebensgestaltung zu führen. Das Modell ist „einfach“ und finanzierbar. Für marktwärts steckt im Denkansatz einiges Potential, auch dann wenn der „liberale Reflex“ zuerst mit einem „um Gottes Willen!“ seine Wirkung entfaltet. Es gilt, sich ein paar Selbstverständlichkeiten des gegenwärtigen gesellschaftlichen Lebens vor Augen zu führen und damit die herrschende Realität in Frage zu stellen.

Es gab mal eine Zeit, da lebte ein Grossteil der Bevölkerung relativ unabhängig vom Geldsystem. Ein hoher Grad an subsistenter Lebensführung aufgrund von Eigenproduktion, wie sie in vorwiegend landwirtschaftlich geprägten Strukturen möglich ist. Subsistenzwirtschaft produziert in erster Linie für den Eigenbedarf, Überschüssiges kann via Tausch und Verkauf zu zusätzlichem bedarfsgerechtem Einkommen führen.

Die Veränderung der Gesellschaft durch die Ausbreitung der Lohnarbeit führte zu einer immer zentraleren Funktion des Geldes als „Lebensmittel“ und zu einer fundamentalen Veränderung von Rollen in der Gesellschaft. (Der Mann als Einkommensbringer, die Frau als „Hausfrau/Mutter“ als Abhängige des Einkommensbringers). In landwirtschaftlich strukturierten Gesellschaften waren weibliche und männliche Rollen unmittelbarer in die Wertschöpfung einbezogen. Meine Erfahrung aus dem Entwicklungseinsatz in Papua Neuguinea (1990-1993) zeigte deutlich, wie sich der subsistente Lebensstil aufgrund der Lohnarbeit hin zum Mann verschob und die Rolle der Frau empfindlich schmälerte. Die Frau hatte traditionellerweise das Sagen im Haus, ihre Stellung war stark und sie verfügte über eine verhältnismässig grosse Unabhängigkeit.

In der Geldgesellschaft verschwinden freiheitliche Formen der Selbstbestimmung weitgehend. Lohnabhängige sind Abhängige. Sie haben im Rahmen definierter Funktionen ihre Aufgabe zu erfüllen und können sich dann in der „Freizeit“ anderen Aufgaben widmen. „Freizeit“ ist ein Begriff aus der westlichen Arbeits- und Abhängigkeitsgesellschaft und deutet darauf hin, dass Leben in Arbeits- und Freizeit eingeteilt werden kann. Werte wie Fleiss, Verlässlichkeit, Musse etc. wurden schleichend neu gefüllt. Am Ende steht der arbeitende Mensch, der, wenn er nicht arbeitet, wohl faul, unzuverlässig oder in seiner Freizeit sein muss.

Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen kommt so etwas wie eine Grundunabhängigkeit in die Gesellschaft zurück, wie sie die Situation der Selbstversorgung kennt. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen wird die heutige „geldgetriebene“ Gesellschaft als Ausgangslage anerkannt und in eine solidarische Richtung hin weiter entwickelt. Das Konzept der Eigenversorgung ist durch die Anzahl Menschen nicht durchzuhalten, das Modell der Erwerbsarbeit stellt sich durch die Entwicklung der Abschaffung von Arbeit durch Automation selbst in Frage. Längst leben mehr Menschen als Jobs in unserem Land. Zwischenzeitliche Arbeitsplatzschaffungen können nicht darüber hinweg täuschen, dass es nach wie vor darum geht, den Menschen als Kostenfaktor in Unternehmen möglichst durch technische Lösungen zu ersetzen.

Das bedingungslose Grundeinkommen anerkennt diese Entwicklungen und beendet die Auseinandersetzung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern über Arbeitsplätze, die unbedingt erhalten werden müssen und doch, unternehmerisch gesehen, einfach zu teuer sind. Wer keine Arbeit mehr hat, wird nicht einfach ein Sozialfall, er/sie fällt zurück auf das Grundeinkommen und kann mit entsprechend tieferen Kosten wieder „fit“ gemacht werden für neue Aufgaben – sofern er/sie das will.

Das bedingungslose Grundeinkommen schafft einen minimalen Freiraum der Eigenständigkeit, bevor wieder Abhängigkeit geschieht (Sozialfall oder neue Arbeit mit Lohnabhängigkeit). Man muss nicht unbedingt und sofort arbeiten. Arbeitsplätze beginnen mit der Entlöhnung bspw. auf Fr. 2500.00 und bereits mit Fr. 2500 Lohn verdient jemand an einer Kasse mehr als heute.

Faule Leute dürfen faul sein -es sind viel weniger, als wir denken- und Unzuverlässige kann man einfacher entlassen, wenn sie nicht wollen. Sie haben ja ein Auskommen.

Das Ganze will finanziert sein. Hier steckt nach der denkmässigen Aufarbeitung  die nächste Herausforderung. Dafür braucht es eine Gesellschaft, die sich als Gemeinschaft definiert und davon ausgeht, dass es uns besser geht, wenn wir für einander schauen, dass es uns gut geht. Das Ganze ist, wie praktisch immer, mehr als die Summe seiner Teile.

marktwärts an diesem Modell ist, dass Menschen beweglicher werden und damit in ihrer persönlichen Ausrichtung unternehmerischer. Sie können sich mehr dorthin entwickeln, wo ihre Qualitäten liegen und dies unabhängiger als bis anhin von der gegenwärtigen Anstellung. Es gibt mehr neigungsmässige Ausbildung und damit mehr wirklich gute Leute und nicht nur „Zertifikatesammler“ und Jobopportunisten mit Fixierung auf grosse Löhne. Solche wird es immer noch geben. Wenn sie gut sind, stört das bereits heute kaum jemand. Was stört sind Arbeitnehmer, die im Hamsterrad der Arbeitsabhängigkeit ihre Jahre absitzen, die Umsatzraten der Pharmakonzerne steigern und betriebs- sowie volkswirtschaftlich mit seltsamen Arbeitsausfällen zu Buche schlagen.

Sie finden, das bedingungslose Grundeinkommen ist eine naive Sache? Das war die Idee der Zahnradbahn auf die Jungfrau nüchtern betrachtet auch. Diese Idee war Ausdruck einer Zeit, wo Unmögliches einfach möglich schien. Heute leben wir in einer Phase, wo neben technologischen Lösungen, gesellschaftliche Wirklichkeiten nachhaltig neu gedacht werden müssen. Was auf die Jungfrau geklappt hat, könnte zeitgemäss auch für die kommende Schweiz klappen. marktwärts – wohin sonst?  Das Buch erscheint Ende Februar 2012.

Buch: Die Befreiung der Schweiz | Christian Müller | Daniel Straub | Limmat Verlag 2012 | ISBN 978-3-85791-673-1

Mehr Infos unter: www. bedingungslos.ch